Sonntag, 8. November 2015

Wir leben Zukunft - jetzt, Und was morgen kommt, sehen wir dann

Predigt zu 1.Thessalonicher 5 (8.11.2015)
 
(Vorbemerkung: Vor der Predigt fand eine Taufe statt. Darauf bezieht sich Teil VIII) 

I.
Sind wir gut vorbereitet auf das, was kommt?
Sind wir vorbereitet auf die vielen Menschen, die zu uns kommen?
Auf die Männer und Frauen und Kinder aus den Ländern der Welt?
Sind wir vorbereitet auf die Begegnungen mit ihnen?
Auf die Auseinandersetzungen um das, was uns wichtig ist
oder was wichtig werden könnte?
Sind wir vorbereitet auf die Veränderung,
die zwangsläufig auf unser Land zu kommt,
die nicht unbedingt schlecht sein muss,
aber die wir noch nicht kennen?

Und alle, die sich diese Fragen ernsthaft stellen,
können nur antworten: Nein, wir sind nicht vorbereitet.
Wir haben uns noch nicht darauf eingestellt.
Zumindest die meisten von uns.
Und die Politik schon gar nicht.
Und das macht Angst.
Angst vor der Zukunft.
Angst vor der Veränderung.
Angst vor dem Fremden.

II.
Sind wir gut vorbereitet?
fragen die Menschen in Thessaloniki.
Sind wir gut vorbereitet auf das, was kommt?
Auf den, der da kommt?
Auf Jesus, wenn er wiederkommt,
wenn endlich alles gut wird auf dieser Welt,
Wenn endlich für alle Licht ist
und niemand mehr im Dunkeln sein muss.
Sie freuen sich darauf, auf diese Zukunft.
Und doch macht sie ihnen auch Angst.
Lohnt es sich überhaupt noch, Kinder zu bekommen
oder lenken die uns nicht viel zu sehr vom Wesentlichen ab?
Wer wird das erleben, das gute Ende?
Was ist dann mit denen, die das nicht mehr erleben:
Haben die das dann verpasst
und können wir das auch verpassen?
Sind wir gut vorbereitet?

Die Thessalonicher haben mit einem nahen Ende gerechnet.
Wer mit einem nahen Ende rechnet, möchte das Wichtigste geregelt haben.
Auch kurz vor Geburt möchte man nicht noch beschäftigt sein
mit der Einrichtung des Kinderzimmers.
Nein, dann soll alles bereit stehen für das Kind.
Also wie ist das Paulus?
Wie sorgen wir dafür, dass wir nicht das Wesentliche verpassen?
Dass wir vorbereitet sind?
Was müssen wir dafür tun?

III.
Paulus schreibt an die Menschen in Thessaloniki (1.Thess. 5,1-2, BasisBibel):
Nun zu der Frage nach den Zeiten und Fristen,
wann das geschieht:
Brüder und Schwestern,
eigentlich brauche ich euch dazu nichts zu schreiben.
Denn ihr wisst selbst ganz genau:
Der Tag des Herrn kommt unerwartet
wie ein Dieb in der Nacht.


IV.
Sie macht Angst, die Nacht.
Schmerzen werden stärker.
Geräusche werden lauter.
Die Gespenster kommen unter dem Bett hervor.
Die Gedanken kreisen und rauben den Schlaf.
Und alles was Angst macht, rückt dir auf die Pelle.
Einbrüche im Dunkeln sind viel bedrohlicher als im Hellen.
In der Nacht werden Brände gelegt
und Wände beschmiert.
Hat Pegida deswegen wieder verstärkten Zulauf?
Weil es wieder dunkel ist abends?
Dann hallen die Sätze mehr nach.
Die Sätze, die Angst machen.
Und ein schwarz-rot-goldenes Kreuz leuchtet besonders stark.
Am Tag könnte es lächerlich wirken.
Weil es lächerlich ist, denn das Kreuz kennt keine Nation.

Sie macht Angst, die Nacht.
Und Angst führt in die Nacht, in das Dunkel.
Zur Zeit wird viel Angst geschürt,
wird mit Angst gespielt,
wird Angst gemacht.
Wo aus fliehenden Menschen eine Invasion wird.
Wo aus normalen jungen Männern vergewaltigende Horden werden.
Und aus muslimischen Schutzsuchenden islamistische Terroristen.

Das hat schon mal funktioniert.
Damals vor über 80 Jahren.
Da hat man Angst vor den Juden gemacht.
Und vor den Kommunisten
und den Homosexuellen
und den Sinti und Roma.
Ängste, die offensichtlich immer noch da sind.
Nur im anderen Gewand.

Und so kommt die Nacht über unsere Gesellschaft.
Eine Nacht, in der die Angst die Oberhand gewinnt.
Dann verkriechst du dich unter die Decke.
Verrammelst die Tür.
Schließt die Fenster.
Ernährst dich gesund.
Rauchst nicht.
Trinkst nicht.
Machst alles richtig.
Jetzt fühlst du dich sicher.
Andere würden am liebsten Mauern bauen.
Grenzzäune errichten.
Gar nicht erst hereinlassen.
Gar nicht erst zulassen.
Sich sicher fühlen.

V.
Aber das funktioniert nicht, sagt Paulus (Vers 3):
Gerade sagen die Leute noch:
»Wir leben in Frieden und Sicherheit!«
Da wird das Verderben ganz plötzlich
über sie hereinbrechen –
so wie bei einer schwangeren Frau
plötzlich die Wehen einsetzen.
Dann gibt es kein Entkommen.


VI.
Du denkst, du kannst dich auf alles vorbereiten.
Du denkst, dass du dir Sicherheit schaffen kannst.
Mit verschlossenen Fenstern.
Mit gesunder Ernährung.
Mit der richtigen Rentenversicherung.
Mit der richtigen Geburtsvorbereitung.
Mit den richtigen Untersuchungen.
Mit dem richtigen Glauben.

Du denkst, du kannst dir die Fremden vom Hals halten.
Mit Registrierzentren und schneller Abschiebung.
Du denkst, dass die Zuwanderer Verderben über dich bringen,
und dass du diesem „Verderben“ entgehen kannst,
indem du sie aussperrst.

Das alles funktioniert nicht.
Du kannst dich dem Ende nicht entziehen.
Du kannst nicht wirklich ausweichen.
Weder dem Tod, noch dem Alter,
noch der Enttäuschung,
dass doch alles anders gekommen ist als geplant.
Das kannst du vielleicht ein Weile tun,
und denen glauben,
die denken, 
dass mit einfachen Methoden alles in Griff zu bekommen ist.
Aber aus diesem Schlaf wirst du erwachen.
Und das ist gut so.
Denn der Tag des Herrn bricht an.
Der sollte nicht verschlafen werden.

VII.
Und so Paulus weiter (Verse 4-6):
Brüder und Schwestern!
Ihr lebt nicht im Dunkel.
Deshalb wird der Tag des Herrn
euch nicht überraschen wie ein Dieb.
Denn ihr seid alle Kinder des Lichts
und Kinder des Tages.
Wir gehören nicht zum Bereich der Nacht
oder der Dunkelheit.
Wir wollen also nicht schlafen wie die anderen.
Wir wollen vielmehr wach und nüchtern sein!


Ihr lebt nicht im Dunkel.
Ihr müsst die Angst nicht über euch herrschen lassen.
Gesteht ihr nicht zu, euch zu lähmen.
Denn ihr seid Kinder des Lichts, Kinder des Tages.
Auch wenn ihr eure Zukunft nicht kennt.
Auch wenn ihr nicht wisst, was auf euch zu kommt.
Und ob ihr das alles bewältigen werdet.
Ob die Politik das alles geregelt bekommt.
Und ob das alles gut ausgeht.

Ihr seid Kinder des Lichts, Kinder des Tages!

VIII.
Zwei Menschen brechen auf.
Sie begeben sich ins Internet
und finden sich dort.
Sie lernen sich kennen.
Sie lernen sich lieben.
Sie lernen zusammen zu leben.
Beide beruflich erfolgreich.
Und dann bekommen sie eine Tochter. H... heißt sie.
Und während viele Menschen heute sagen,
dass so ein Kind doch nicht in das Berufsleben passt
oder zum Geldbeutel
oder zum Klima,
sagen diese beiden:
doch es passt - und zwar richtig gut.
Und wir leben es so, wie es jetzt gerade gut passt.
Wir leben Zukunft - jetzt.
Und was morgen kommt, sehen wir dann.
Kinder des Lichts. Kinder des Tages.

Wird es klappen mit dem Stillen?
Wird der Chef zustimmen, dass ich nur Teilzeit arbeite, und das als Mann?
Werden wir genügend Zeit haben für unsere Kleine?
Was machen wir, wenn sie krank wird?
Oder wenn die Schwiegermutter krank wird?
Wenn die Nacht zum Tage wird, weil das Kind nicht schläft,
bekommen solche Fragen Oberhand.
Auch bei Kindern des Lichts.
Auch bei Getauften.
Aber es hilft, nicht allein zu sein mit diesen Fragen.
Und Gottvertrauen hilft auch.
Und die Fragen erst bei Tageslicht beantworten.
Wir leben Zukunft - jetzt.
Und was morgen kommt, sehen wir dann.

IX.
Denn ihr seid alle Kinder des Lichts
und Kinder des Tages.
Wir gehören nicht zum Bereich der Nacht
oder der Dunkelheit.
Wir wollen also nicht schlafen wie die anderen.
Wir wollen vielmehr wach und nüchtern sein!


Wach und nüchtern sein.
Das reicht.
Das ist die beste Vorbereitung.
JETZT leben und lieben.
Sich nicht von der Angst treiben lassen oder lähmen.
Sondern ihr ins Gesicht schauen bei Tageslicht.
Die Zeit jetzt ist von Gott geschenkt.
Die Zeit jetzt ist nicht Durchgangszeit,
sondern kostbare Lebenszeit
zu füllen mit Liebe und Lust und Leben.
Freut euch mit den Fröhlichen,
weint mit den Weinenden,
lasst euch die Welt nicht verbauen
mit Zäunen und Mauern und verschlossenen Fenstern.
Seht im Fremden den möglichen Freund.
Oder zumindest einen,
der euch eine ganz neue Welt erschließen kann.
Oder eine, die deine Sorge um die Kinder versteht,
weil sie sie auch hat.


Wach und nüchtern sein.
Ohne Angst in die Zukunft schauen,
und das tun, was ansteht.
Jetzt leben, nicht erst morgen.
Und sich überraschen lassen von dem, was kommt.
Und von denen, die kommen.
Es darf auch was schief gehen.
Auch bei dir, dem Kind Gottes.
Und du darfst Fehler machen.
Und andere auch.
Aber lebe jetzt.
Und liebe -
diese chaotische, unüberschaubare, fremde Welt.
Ja, liebe sie.

Das geht, weil du ein Kind des Lichts bist,
eine Tochter Gottes, ein Sohn Gottes.
Und das, was kommt, ist gut, richtig gut.
Denn es ist Gottes Zukunft,
Gottes überraschende Zukunft:
der Tag des Herrn.

Wir wollen also nicht schlafen wie die anderen.
Wir wollen vielmehr wach und nüchtern sein!


Wir leben Zukunft - jetzt.
Und was morgen kommt, sehen wir dann.

Amen.

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